Dr. Thomas Pauli-Gabi, Direktor Experimente wagen
So wie die Besuchenden in der Ausstellung RAUSCH in Staunen versetzt wurden, muss es uns auch in den Dauerausstellungen gelingen, neue und überraschende Perspektiven einzuflechten. Die Gesamterneuerung des Museumsschlosses vor Augen haben wir wiederholt mutig und experimentierfreudig in bestehende Ausstellungen interveniert.
Die Ausstellungen im Bernischen Historischen Museum sind in die Jahre gekommen. Mit 15 bis 35 Jahren Laufzeit entsprechen die meisten inhaltlich und erzählerisch nicht mehr den diversen Ansprüchen des heutigen Publikums. Im Zug der geplanten Gesamtsanierung des Gebäudes von 1894 müssen die heutigen Dauerausstellungen komplett erneuert werden. Die mehrjährige Phase bis zur Schliessung des Museumsschlosses wollen wir nutzen, um mit neuen Formaten von Ausstellungen und Vermittlungsangeboten zu experimentieren. Indem wir in Bestehendes neue Perspektiven einflechten, externen Positionen Freiraum zum Bespielen bieten und zusammen mit Kooperationspartnern überraschende Interventionen platzieren, können wir einerseits zum erneuten Besuch der Dauerausstellungen anregen und andererseits innovative Vermittlungsformate testen. Dies vor allem im Hinblick auf die Gesamterneuerung der Ausstellungen.
Neue thematische Spuren und Interventionen
Um die Erzählung einer spannenden Geschichte geht es beim neuen Stationenweg zur hugenottischen Vergangenheit Berns. Auf dem Spaziergang durch verschiedene Ausstellungsräume erzählen Ausstellungsobjekte via QR-Code von der Ankunft der französischen Glaubensflüchtlinge. Auf der Schnitzeljagd «Mach fette Beute!» wird eines der prägenden Ereignisse in der Geschichte Berns, der Kampf gegen Karl den Kühnen, spielerisch und gruppendynamisch erlebbar. Zum Finale winkt die Besichtigung einer der bedeutendsten Schätze des Museums. Mit solchen kleineren Interventionen flechten wir in bestehende Ausstellungen neue Erzählungen und Zugänge ein. Ein grösserer Eingriff war in der zwanzigjährigen Archäologieausstellung für das Format «Archäologie aktuell» erforderlich. Ein originales Grabungszelt dient zweimal im Jahr als Plattform, auf der in Kooperation mit dem Archäologischen Dienst neueste Entdeckungen aus dem Berner Bodenarchiv präsentiert werden.
Freiräume zum Experimentieren
Um Platz für grössere Experimente zu schaffen, haben wir die aus heutiger Sicht nicht mehr zeitgemässe Ausstellung mit Objekten aus Asien und Ozeanien abgebaut. Den so entstandenen Freiraum stellten wir zweimal externen Akteur:innen zur Verfügung. Das Berner Atelier d’Ici dokumentierte das Ausräumen und setzte sich mittels einer filmischen Präsentation kritisch mit ethnografischen Ausstellungen auseinander. Studierende des Masters «Innenarchitektur und Szenografie» der Fachhochschule Nordwestschweiz unternahmen einen Friendly Takeover (freundliche Übernahme). In dieser Intervention entwickelten und bauten sie Modelle, an denen der Einfluss von szenografischen Mitteln – wie zum Beispiel die Beleuchtung – auf unsere Wahrnehmung erlebt werden konnte. Im Zentrum standen dabei die Nō-Masken aus der Ausstellung «Kulturen in Asien und Ozeanien». Die Besuchenden konnten sich in dieser Intervention durch viele interaktive Elemente selbst als Ausstellungsmacher:in versuchen. Auch in anderer Hinsicht war der gewonnene Freiraum willkommen. Er bot die Gelegenheit, die gesamte Sammlung aus Namibia nach Jahrzehnten im Depot wieder einmal ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen und zusammen mit Kolleg:innen aus dem Herkunftsland zu untersuchen. Im nächsten Jahr wagen wir ein weiteres Experiment und stellen den neu gewonnenen Freiraum für eine grössere externe Position zur Verfügung. Der Verein «Das Wandbild muss weg!» wird dort die Widerstände rund um das rassistische Wandbild im Schulhaus Wylergut in einer vielstimmigen Ausstellung thematisieren.
Dr. Thomas Pauli-Gabi