Sammlung Geschichte der Dinge
Die gut erschlossenen Sammlungsbestände bieten nun Grundlage für neue Erkenntnisse. Durch kuratorische Arbeit bleiben Dinge und Erinnerungen verknüpft. Damit kann neues Wissen zu Gegenständen, ihrer Geschichte und ihren Geschichten gewonnen werden.
Im vergangenen Jahr haben sich mehrere Initiativen verwirklichen lassen.
Die Archive mit Zeugnissen zur Museums- und Sammlungsgeschichte konnten weiter erschlossen werden. Die handschriftliche Korrespondenz ehemaliger Direktoren ist zu grossen Teilen in Druckbuchstaben übertragen und liegt gut lesbar vor. Ein anderes Projekt ist den Schliffscheiben im Bestand des Museums auf der Spur, die mit den darauf genannten Namen und Berufen der Stiftenden wertvolle Hinweise zum Leben von Personen geben. Für zwei Vorhaben zur Erforschung der Provenienz in den Afrikasammlungen boten die erschlossenen Archivalien ebenfalls wichtige Zugänge.
Dank der vorangegangenen Generalinventur der Sammlungsbestände und der nun fortgesetzt erfolgenden, systematischen Aufbereitung und Digitalisierung der Museumsarchive werden wertvolle Ressourcen zugänglich, die zuvor kaum nutzbar waren. Auf dieser Grundlage lässt sich das Sammeln und dessen Ausrichtung zukunftsfähig reflektieren. Es eröffnen sich neue Perspektiven für Forschung, Kooperationen, Vermittlung sowie für breit angelegte Teilhabe an Kulturerbe.
Sammeln
Das Rezeptbuch von Jean Tobler
1899 erbaute Jean Tobler in Bern die Schokoladefabrik, in der ab 1908 die weltberühmte Toblerone produziert wurde. Seine ersten Schokoladenrezepte hielt Jean Tobler in den 1850er Jahren in einem Rezeptbuch fest.
Jean Toblers Rezeptbuch ist eines der seltenen Dokumente zu den Anfängen der Berner Schokoladeindustrie. Nach der Lehre als Zuckerbäcker zog der Appenzeller Johann Jakob Tobler (1830–1905) durch verschiedene deutsche Städte (1848–1854), weiter nach Paris (1855–1865) und in die Westschweiz. Die Rezepte, die er auf seiner Reise als Wandergeselle kennenlernte, notiert er von Hand in sein Buch. Mit diesem Wissensschatz im Gepäck kam er 1867 nach Bern. In Bern verliess er alsdann die Süsswarenproduktion und spezialisierte sich auf die Schokoladeherstellung. Nachkommen von Jean Tobler schenken sein Rezeptbuch nun dem Bernischen Historischen Museum.
Berner Kulturerbe in Paris
Für die Ausstellung «Figures du Fou – Du Moyen Âge aux Romantiques» im Pariser Louvre reisten eine Münsterfigur und ein Zunftbecher aus Bern in die französische Hauptstadt.
Die Mitte Oktober eröffnete Sonderausstellung in Paris beleuchtete die Darstellung des Narren und dessen Bedeutungswandel in der Kunst vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Gemeinsam mit hochkarätigen Leihgaben aus aller Welt reisten zwei Exponate nach Paris, die als Depositen im Bernischen Historischen Museum bewahrt und ausgestellt werden: Ein Silberbecher der Berner Gesellschaft zum Distelzwang, das sogenannte «Narrenhaupt», und die Figur einer «törichten Jungfrau» vom Portal des Berner Münsters. Für letztere wurde gemeinsam mit der Münsterbauhütte eine aufwändige Transport-Verpackung hergestellt. Die beiden Leihgaben wurden im Louvre von einer Konservatorin-Restauratorin des Bernischen Historischen Museums installiert.
Erschliessen
Die Archive hüten wichtige schriftliche und bildliche Zeugnisse der Museums- und Sammlungsgeschichte des Hauses.
Als erstes war das ethnografische Sammlungsarchiv aufgearbeitet und 2020 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Dieses Jahr wurde mit der Erschliessung der übrigen Archivbestände begonnen. Die Archivalien wurden mit Hilfe einer externen Fachperson in der bestehenden Datenbank erfasst und in archivtaugliche Materialien verpackt. Nach dem Abschluss sollen die Sammlungsarchive mit Zugang über die Museumswebsite, analog zum ethnografischen Archiv, mit Hilfe eines Findmittels durchsucht werden.
Zusätzlich konnte ein Teilbestand des archäologischen Sammlungsarchivs vertiefter aufgearbeitet werden. Die archäologischen Fundakten (Dokumentation der Fundstellen archäologischer Funde) wurden mit Unterstützung einer Praktikantin und eines Praktikanten komplett digitalisiert, in die Datenbank aufgenommen und neu verpackt.
Dokumentieren
Freiwillige tauchten in die Sammlungen ein: Hoch motiviert machten sich die einen an die Erforschung des Schliffscheibenbestandes, die anderen ans Transkribieren von Direktionskorrespondenz.
Das Bernische Historische Museum besitzt knapp 500 Schliffscheiben, gravierte Glasscheiben, die meistens bei Neubauten den Bauleuten geschenkt wurden. Sie weisen in der Regel Wappen und Namen der Stiftenden auf. Oft sind auch deren Beruf und Wohnort angegeben. Die Schliffscheiben bieten deshalb Anhaltspunkte, um den erwähnten Personen nachzuforschen. Ab September waren sieben Freiwillige damit beschäftigt, so vollständig wie möglich, biographische Angaben zu den erwähnten Personen zu sammeln. Die Daten sollen in die Datenbank des Museums übernommen werden und in Zukunft interessierten Forschenden zur Verfügung stehen. Sie bieten Informationen zu Individuen der ländlichen Mittel- und Oberschicht Berns, die in der Museumsammlung bislang kaum vorkam.
Das andere Projekt, das im Februar begann, widmete sich der Direktionskorrespondenz des Museums. Die Briefe der Direktoren wurden bis in die 1940er Jahre in Briefkopierbüchern gesammelt, aber die Handschriften sind teilweise nur noch schwer lesbar. Sieben Freiwillige transkribierten einen ersten Teil der handgeschriebenen Briefe und hielten die wichtigsten Inhalte in einem Verzeichnis fest. Die gewonnenen Informationen sind für die Erforschung der Sammlung von Bedeutung. Sie liefern Hinweise und Hintergründe zu Sammlungsteilen oder damit verbundenen Personen, die in keiner anderen Quelle zu finden sind. Die Freiwilligen widmeten sich mit grossem Engagement der Transkriptionsarbeit und begaben sich begeistert auf die Spuren der Persönlichkeiten hinter den individuellen Handschriften.
Forschen
In den Afrikasammlungen konnten zwei Projekte zur Erforschung der Provenienzen abgeschlossen werden.
Einerseits wurde das Vorprojekt «Usakos – Making of Common History» erfolgreich umgesetzt. Das Projekt verfolgte das Ziel, die Voraussetzungen für eine längerfristige Zusammenarbeit mit Nachkommen der Herkunftsgemeinschaft einer Sammlung aus Namibia zu schaffen. Im Verlauf von mehreren Workshops sowohl in Namibia als auch in der Schweiz wurde gemeinsam entschieden, die Zusammenarbeit ab 2025 fortzuführen.
Andererseits wurde das von acht Schweizer Museen gemeinsam durchgeführte Verbundprojekt «Benin Initiative Schweiz» nach vierjähriger Zusammenarbeit abgeschlossen. Am 26.10.2024 wurde in Zürich der Forschungsbericht über die Provenienzen Schweizer Sammlungsobjekte aus dem Königreich Benin an offizielle Vertreter der Republik Nigeria übergeben. Das Bernische Historische Museum besitzt drei Sammlungsstücke, deren Herkunft auf das Königreich Benin zurückgeht.