Dr. Thomas Pauli-Gabi, Direktor Gedanken zur Jahrhundertchance «Gesamterneuerung BHM»
Die vom Museumsteam 2021 erarbeitete und mit viel Engagement umgesetzte Museumsstrategie erweist sich in der Praxis als grosser Erfolg. Sie gibt den seit Jahren sinkenden Besuchszahlen in den 20–40-jährigen Dauerstellungen das erhoffte Gegensteuer. Mit attraktiven Sonderausstellungen und einem vielfältigen Veranstaltungsprogramm konnte der Rückgang mehr als kompensiert werden. In den vergangen drei Jahren zählte das Museum durchschnittlich 132 000 Eintritte, was einem Plus von 60 % (!) im Vergleich zu den Vorpandemiejahren 2014–2019 entspricht (durchschnittlich 83 000 Eintritte).
Das Problem mit Dauerausstellungen in vielen Museen ist, so auch im Bernischen Historischen Museum, dass sie Besuchende mit einer Fülle von Objekten überfordern und ohne erzählerische Leitspur rasch ermüden. Zudem stehen sie oft zu lange unverändert im Haus. Es verwundert deshalb nicht, dass unsere Dauerausstellungen, obschon sie Dreiviertel der gesamten Ausstellungsfläche belegen, immer weniger besucht werden. Aus Sicht eines Museums, das seine grossen «Bühnen» bestmöglich auslasten möchte, ist das eine unbefriedigende Situation. Die grössten Ausstellungsflächen müssten als Publikumsmagnete wirken. In den wenigsten Museen ist dies jedoch der Fall. Wie es anders geht, demonstriert eindrücklich einer unserer Partner im Museumsquartier Bern. Seit der Totalerneuerung und Neupositionierung der Dauerausstellung mit aktivierenden Kommunikator:innen steigen die Besuchszahlen im Museum für Kommunikation jedes Jahr.
Wenn der Altbau des Bernischen Historischen Museums von 1894 wegen der dringenden baulichen Sanierung komplett ausgeräumt werden muss, bietet sich die Jahrhundertchance, das Potential unseres Museums mit einer progammatischen Neukonzeption vollumfänglich auszuschöpfen. Dafür werden wir uns vom langjährigen Konzept mit statischen Dauerausstellungen verabschieden und diese durch eine dynamische Bespielung mit wechselnden Themen und Vermittlungsformaten ersetzen. Für dieses dynamische Konzept schafft das Siegerprojekt des Architekturwettbewerbs mit einer flexiblen Nutzung der Räume eine der notwendigen Voraussetzungen. Eine weitere wichtige Änderung betrifft die Lösung eines alten Problems der Besuchsführung. Aus finanziellen Gründen wurden im Gründungsbau von 1894 zwei ursprünglich vorgesehene Annexbauten weggespart. Dieser Entscheid hatte zur Folge, dass die Ausstellungen seit 130 Jahren auf allen Geschossen in Sackgassen enden und die Besuchenden durch die bereits gesehene Ausstellung zurückgehen müssen. Nach der Wiedereröffnung wird unser Publikum dank eines Anbaus und dem Einbau von Treppen und Liften überall im Haus barrierefreie Rundgänge antreffen. Die Rundgänge erleichtern die Orientierung und ermöglichen den zukünftigen Ausstellungsmacher:innen, in den Räumen dramaturgisch konzipierte Erzählungen erlebbar zu machen.
Was die Gründungsväter im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht voraussehen konnten, ist die Entwicklung der Besuchszahlen. Die Infrastruktur mit Empfang, Garderobe, Toiletten und Erschliessungswegen war auf etwa 10 000 Besuchende pro Jahr ausgelegt. Bis heute haben sich die Eintritte jedoch mehr als verzehnfacht. Die baulichen Massnahmen tragen dem massiv höheren Besuchsaufkommen mit einem zweiten grosszügigen Foyer im Süden Rechnung. Dieser neue Empfangsbereich mit Museumscafé schafft zudem die ideale Verbindung vom Helvetiaplatz zum geplanten Museumsgarten, dem Herzstück des im Aufbau befindlichen Museumsquartiers Bern. So kann das neue Südfoyer zu einem Treffpunkt für das ganze Museumsquartier werden.
Mit der erfolgreichen Museumsstrategie und dem Siegerprojekt des Architekturwettbewerbs sind die Weichen für die Jahrhundertchance «Gesamterneuerung» gestellt. Die noch ausstehende Bewilligung des Baukredits durch die Träger des Museums vorausgesetzt, kann 2028 mit den Bauarbeiten begonnen und nach rund vier Jahren bei der Wiedereröffnung die eigentliche Neugründung des Bernischen Historischen Museums gefeiert werden.